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Alexanders Argument   

Bei Markus Lanz sitzen am 9.9.2025 Nancy Faeser, Gerald Knaus und Robin Alexander. Kurz vor Ende der Gesprächsrunde geht es um das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes, die Höherstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch und die Problematik des Publikationszeitpunkts kurz vor Ende der Ampel. (1:10;30 f.)

In diesem Kontext formuliert Robin Alexander eine radikale Kritik an der Qualität des Gutachtens: „die Idee, dass man öffentliche Äußerungen der AfD sammelt, das kann ich selber…“. Der Verfassungsschutz solle gucken, dass die NSU sich nicht organisiert, die sich heimlich organisiere. Die Bewertung, was etwa Höcke sage, „das können wir im demokratischen Diskurs“. Die Idee, darauf einen „Stempel“ des Bundesverfassungsschutzes zu machen, da sei etwas verrutscht. Alexander brauche keinen Verfassungsschutz, der erkläre, ob sich eine Rede Höckes im Rahmen der freiheitlichen deutschen Grundordnung bewegt oder nicht. 

Sein Argument für die Legitimität der Fertigung eines Gutachtens, basiert auf einer Unterscheidung von geheimer Organisierung, die vom Verfassungsschutz verfolgt gehöre, und öffentlicher Diskurse, die für ihre Verfassungsfeindlichkeit keinen Stempel bräuchten. Mit diesem Argument überfährt er Frau Faeser, die sich nur sachlich diffus zur Wehr setzt. 

Im ersten Moment war mir Alexanders Unterscheidung und ihr Kriterium, öffentliche Rede versus geheime Planung, plausibel, doch je länger ich nach dem Ende der Sendung im Halbdunkel dasaß, desto zweifelhafter wurde mir sein Argument. Die Öffentlichkeit der riesigen Sammlung an verfassungsfeindlichen Diskursen ist gar nicht der entscheidende Gesichtspunkt, sondern die enorme Menge der Daten, die es ermöglicht, die extreme Verbreitung und die massive Infiltration öffentlicher Rede mit verfassungsfeindlichen Kernaussagen zu belegen. Der Untersuchungsgegenstand des Gutachtens sind Diskurse als Tatsachen, als Aktivitäten und nicht die geheime Organisation von feindlichen Bataillonen. Die Inhalte und Verwendungen sind offensichtlich, dass dadurch gesponnene Netz mit seiner immer stärkeren Fangkraft liegt im Dunkeln und wird erst durch die riesige Menge an Verwendungen sichtbar. 

Alexander nimmt bei seinem Argument das mittlerweile veröffentlichte Höcke-Buch seines Kollegen Frederik Schindler als Beispiel dafür, dass der Journalismus ausreiche, um die Verwendung verfassungsfeindlicher Diskurse, hier bei Höcke, zu dokumentieren. Dazu brauche es keinen Verfassungsschutz. Doch selbst in diesem Fall geht Alexanders Argument daneben, denn das Wissenschaftliche und damit Überzeugende am Höcke Buch von Schindler sind Breite und Tiefe des Datenmaterials, die nicht im Einzelnen, sondern im Allgemeinen, von allen Seiten kommend, seine Aussagen bestätigen und bewahrheiten. 

Die variierende, deutschlandweite Wiederholung bestimmter Argumentations- und Sprachklischees in ihrer Quantität belegt die immer stärkere Infiltration des öffentlichen Sprechens mit verfassungsfeindlichen Reden. Auch wenn dieser Vorgang vor aller Augen und Ohren stattfindet, ist er in seiner quantitativen Materialität nicht offensichtlich, es sei denn in den deutlich steigenden Wahlergebnissen der AfD. 

Ich habe keine nähere Kenntnis von quantitativer und qualitativer Sozialforschung, doch schwebt mir vor, dass mit Dokumentarischen Methoden auf breiter Materialbasis, die das Gutachten und täglich die sozialen Netzwerke liefern, wissenschaftlich anerkannte Ergebnisse erzielt und juristisch eingesetzt werden können. Auf der Argumentationslinie von Robin Alexander schaut man jedenfalls jahrelang weiter zu, wie in aller Öffentlichkeit die Verfassungsfeindlichkeit des Sprechens und Schreibens immer stärker um sich greift und erst bei Machtübernahme der AfD sich im politischen Handeln radikal geltend macht. 

Da wird in sozialen Netzwerken eine Diskursmaschine gebaut, mit enormer Macht und Durchschlagskraft, deren Inhalte als Meinung in Freiheit durchgehen, deren Apparatur diese Meinungen aber durch Quantifizierung in Tatsachen verwandelt und ihnen eine demokratiezerstörende Wucht in der Wirklichkeit verleiht.

Olaf Haas, 15.09.2025